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Hans Dörfert
(83 Jahre alt) und Jochen Stopperam (67 Jahre alt) auf dem Hof
der Energieversorgung am Obotritenring 40
Bericht von Hans Dörfert
über die Elektroenergieversorgung in Mecklenburg von den
Anfängen bis 1945
Es ist gar nicht so einfach,
heute noch festzustellen, wann in unserem Versorgungsgebiet die
erste Elektroenergie praktisch genutzt wurde, und manchmal mußte
der Zufall oder ein anderer glücklicher Umstand dazu beitragen,
dieses Geheimnis aufzuklären. "Naturkraft ausgenutzt" war in der
Sonntagsbeilage der Mecklenburgischen Zeitung vom 17. September
1893 zu lesen. Im Text hieß es dann, daß ein Herr P.W.
Brettschneider aus Hamburg das Gut Hoppenrade bei Güstrow
erworben hat. Er ließ es umbauen und ein "Elektrizitätswerk"
anlegen. Der Strom wurde nicht nur für Beleuchtung, sondern auch
für Dreschen, Schneiden und Häckseln verwendet. Das dürfte
sicher die älteste Elektroenergieerzeugungsanlage in unserem
Bezirk gewesen sein. Wie groß die Anlage war, mit welcher
Stromart sie betrieben wurde und wie lange sie existierte war
bis jetzt noch nicht zu erfahren. Doch möchte ich an dieser
Stelle unserem Kollegen Heinz Rieckhoff aus der
Netzbefehlsstelle recht herzlich danken, denn er gewährte einen
Einblick in diese Zeitung.
Etwa 3 bis 4 Jahre später,
1896/97 wurde in Neustadt-Glewe in Anlehnung an die
Eisengießerei die erste Stadtverteilungsanlage unseres Bezirkes
in Betrieb genommen. Auch hier kenne ich die Größe nicht, jedoch
waren das Rathaus, 2 Hotels und eine Gastwirtschaft die ersten,
und ich möchte annehmen auch begeistertsten Abnehmer dieser
Energieart, die mit großer Wahrscheinlichkeit nur für
Beleuchtungszwecke genutzt wurde. Aus dieser Anlage entwickelte
sich das stadteigene Elektrizitätswerk. Sicher hat das
Neustädter Technikum dabei manche Hilfeleistung mit Rat und
vielleicht auch mit finanziellen Mitteln gegeben. Es hatte ja
damals auch seinen guten Ruf zu bestätigen, denn es zählte zu
den ersten Einrichtungen, an denen Ingenieure in der
Fachrichtung Elektrotechnik ausgebildet wurden. Mancher Student
und Ingenieur hat wohl seine Kenntnisse an dieser Anlage
erwerben können. Schade, daß uns davon keine Dokumente erhalten
blieben.
1900 wurde in Rostock eine erste
sogenannte "Blockstation" in Betrieb genommen.
1903 gab es in Dömitz ein
städtisches Elektrizitätswerk, von dem mir wenigstens das Statut
noch vorliegt. Friedrich Franz von Gottes Gnaden, Großherzog
usw. usw. hat es persönlich am 18. August 1903 unterzeichnet und
gesiegelt. Dementsprechend hoch war dafür auch der Preis einer
Kilowattstunde, denn 50 Pfennige waren damals kein Pappenstiel.
Wir dürfen diese Pioniertaten
heute nicht belächeln, denn der Anfang war getan, und nur wer
anfängt kann auch weiterkommen.
Am 24. Dezember 1904 um 20:30 Uhr
ging das E-Werk in Schwerin am Pfaffenteich in Betrieb. Mit ein
paar versteckten Worten wurde am 27. Dezember in der
Mecklenburgischen Zeitung für Schwerin eine neue Epoche der
Technik angekündigt: "Eine besondere Überraschung wurde am
Heiligabend 8:30 Uhr vielen Ladenbesitzern und den Privaten
zuteil, als unerwartet die dem Elektrizitätswerk angeschlossenen
Beleuchtungskörper hell aufflammten." Die Schweriner können auf
ihr altes E-Werk stolz sein, denn es war wirklich der Eintritt
in eine neue technische Epoche. Für die Stromerzeugung standen 2
liegende Sauggasmotoren von je 300 PS zur Verfügung, die mit je
einem Gleichstromgenerator von 200 kW gekoppelt waren. Insgesamt
verfügte das Schweriner E-Werk bei der Inbetriebnahme über eine
Leistung von 400 kW. Das Netz hatte übrigens schon die
bedeutende Länge von 24 km. 500 Häuser mit 643 Kunden waren
angeschlossen und als Meßeinrichtung waren 520 Zähler
installiert worden. Die Abnehmer verteilten sich über das
gesamte Stadtgebiet und betrieben rund 10000 Glühlampen, 452
Bogenlampen und rund 100 kleine Motoren.
Der Sauggasmotor hatte zur Zeit,
als das E-Werk gebaut wurde, schon eine gute Tradition.
Sauggasmotoren sind im Prinzip Otto-Motoren, bei denen der
Vergaser ein kleines Gaswerk ist. So ein kleines Gaswerk hat
auch auf dem Gelände des E-Werkes gestanden. Das Gas wurde aus
Steinkohle erzeugt. Der Dieselmotor hatte gerade erst das
Anfangsstadium überwunden, denn erst 1898 wurde der erste
brauchbare Dieselmotor hergestellt. Möglicherweise hatten die
vorsichtigen Stadtväter noch kein Vertrauen zu dem neuen Motor,
vielleicht war er auch zu teuer in der damaligen Anschaffung.
Für den Bau des E-Werkes am Pfaffenteich wurden etwa 1,6
Millionen Mark ausgegeben.
Es ist sicher auch interessant,
wenn man erfährt, daß die Höchstlast im 1. Betriebsjahr 260 kW
betrug. Ich finde das ganz enorm. Schon nach kurzer Zeit wurde
man kühner und bereits 1907 wurden auf dem Marktplatz und dem
Marienplatz Lichtbogenlampen installiert. Damit wurde dem
Gaswerk bei der Straßenbeleuchtung Schwerins erstmalig mit
elektrischem Strom erhebliche Konkurrenz gemacht. Und als im
Jahre 1908 die elektrische Straßenbahn gegründet wurde, mußte
eine weitere Sauggasmaschine mit einem Generator von 150 kW
aufgestellt werden. Der Bau der Straßenbahn, der "Elektrischen"
wie sie damals hieß, hat wohl auch die Schweriner Bürger stark
"elektrisch" beeinflußt, den gleich danach mußte wiederum die
Leistung erhöht werden, und zwar durch eine zusätzliche Maschine
von 100 kW. Auch das Kabelnetz wurde erweitert, weil auch die
Bürger des Schloßgartengebietes an der neuen Errungenschaft
beteiligt sein wollten. Übrigens gehörte das Schloßgartengebiet
1908 noch nicht zur Stadt.
Wie in Schwerin wurde auch in
Wismar 1904 mit der Elektroenergieversorgung begonnen. Aber auch
kleine Gemeinden wie Roggendorf bei Gadebusch, Serrahn, Kleinen
bei Wismar errichteten um diese Zeit schon elektrische
Energieerzeugungsanlagen. Und 1906 gab es in Mecklenburg schon
das erste Verteilernetz. Bei Dargun hatten sich 8 Dörfer zu
einer "Lichtgemeinschaft" zusammengeschlossen. Welche Leistung
die erste Mecklenburger "Überlandzentrale" hatte, müßte aus
irgendwelchen Unterlagen noch zu ergründen sein. Die
Übertragungsspannung betrug 10 kV. 1908 kamen die "Friedländer
Ecke" und Neubrandenburg mit ihren Anlagen und 1910 bauten sich
die Lewitzdörfer Plate, Sukow u.a. ihr eigenes Netz auf.
1909 wurde die Aktiengesellschaft
"Märkische Elektrizitätswerke" oder kurz MEW gegründet. Das
Grundkapital betrug damals 2 Millionen Mark. Die MEW, zu der
später auch unser Versorgungsgebiet gehörte, baute das für die
damalige Zeit modernste Kraftwerk in Finow mit einer Leistung
von zunächst 7200 kW, die später auf 19200 kW ausgebaut wurde.
Um das Jahr 1910 wurde überall
mit dem Bau von Hochspannungsanlagen für Drehstrom begonnen. Bei
uns in Mecklenburg waren es vorwiegend die Firmen AEG und
Siemens, die die öffentliche Energiebelieferung auch für das
Landgebiet vorantrieben. Stadt und Land gemeinsam zu
erschließen, war eine richtige technische und wirtschaftliche
Voraussicht. Da sich die beiden großen Betriebe mit ihren
Geschäften nicht gegenseitig ins Gehege kommen wollten, hatten
sie intern schon ihre Interessengebiete aufgeteilt. Der
Siemens-Konzern befaßte sich mit dem westlichen Mecklenburg und
die AEG übernahm den östlichen Teil. Da im Hochofenwerk Hernik
bei Lübeck eine leistungsfähige Elektroenergieerzeugungsanlage
zur Verfügung stand, wurde zunächst der Klützer Winkel
erschlossen, ein landwirtschaftlich sehr ertragreiches Gebiet.
Für das damalige Amt Grevesmühlen wurde eine
Gebietsgenossenschaft gegründet, die sich den Strombezug vom
Hochofenwerk zusichern ließ. Gleichzeitig wurde 1910 eine
Speiseleitung nach Grevesmühlen gebaut und bedauerlicherweise
ein 11-kV-Netz errichtet.
Etwa zur gleichen Zeit nahm die
Stadt Rostock ihr neues Kraftwerksprojekt in Angriff. Zwecks
Verbreiterung der Basis wurden mit Güstrow, Doberan, Kröpelin
sowie mit den benachbarten Badeorten Verhandlungen aufgenommen
und weil überall der Anschlußwille bestand, das neue
Turbinenkraftwerk Bramow gebaut. Bereits am 1.Juli 1911 konnte
das Kraftwerk mit einer Leistung von 2000 kVA in Betrieb gehen.
Zwei Turbogeneratoren versorgten von hier den östlichen Teil
Mecklenburgs. Im 2. Betriebsjahr war das Überlandnetz bereits
auf 97 Stationen und 185 km Netzlänge ausgebaut. Die
durchschnittliche Jahresabnahme lag pro Station bei etwa 6000
kWh, sodaß sich die Anlage bereits im ersten Jahr bewährt hatte.
Weitere Städte und Dörfer hatten
nun den Wunsch, an das Überlandnetz angeschlossen zu werden. Als
die Stadt deswegen für ihr städtisches Elektrizitätswerk und die
Überlandzentrale Rostock im Jahre 1912 bei der Landesregierung
um die Genehmigung für den Bau weiterer Leitungen ersuchte,
verlangte die mecklenburgische Regierung in Erkenntnis der
zunehmenden Bedeutung der Überlandversorgung und wegen der
notwendigen einheitlichen Lenkung im Interesse der Verbraucher
nunmehr die Übernahme einer Verpflichtung zur Versorgung der
östlichen Hälfte Mecklenburgs. Hierdurch wären der Stadt Rostock
sicherlich Aufgaben und auch wirtschaftliche Belastungen
zugefallen, denen sie nicht gewachsen war. Sie lehnte darum
diese Verpflichtung ab und übertrug am 23. Mai 1913 ihre ganze
Energiewirtschaft durch einen Pachtvertrag an die AEG bzw. deren
Konzerngesellschaft "Elektrizitätslieferungs-Gesellschaft",
vielen sicher noch unter der Bezeichnung ELG bekannt.
Die Energiewirtschaft hatte schon
einen relativ hohen Stand erreicht, als der erste Weltkrieg
ausbrach. Nun war natürlich für die allgemeine Elektrifizierung
kein Geld mehr vorhanden, denn allein des Kaisers liebstes
Spielzeug, die deutsche Kriegsflotte, verschlang riesige Summen.
Aus einem alten Flottenkalender ist zu entnehmen, daß allein die
schwere Ausrüstung der Schiffe der Nassau-Klasse, das waren 12
Geschütze vom Kaliber 28 cm, 13,5 Millionen Gold-Mark kostete
und bei der damals modernen Helgoland-Klasse sogar 19 Millionen
Mark. Das war der Preis für 12 Geschützrohre! So stagnierte die
Elektroenergieversorgung und nur kriegswichtige Betriebe
erhielten neue Anschlüsse, ja sogar neue Kraftwerke.
Erst nach dem Kriege änderte sich
da etwas. Ich besitze eine alte Ablichtung der "Amtlichen
Beilage zum Regierungsblatt für Mecklenburg-Schwerin" vom 1.
Juli 1920. Da heißt es: Für den Bau und Betrieb der Anlagen zur
Versorgung des westlichen Teils von Mecklenburg-Schwerin mit
Elektrizität ist unter der Bezeichnung
"Mecklenburg-Schwerinsche-Landes-Elektrizitätswerke" eine
Dienststelle des unterzeichneten Ministeriums in Schwerin,
Schloßstraße 9, errichtet worden. Mit der Leitung dieser
Dienststelle ist bis auf Weiteres der Regierungs- und Baurat
Schirmacher beauftragt worden. Diese gesetzliche Bekanntmachung
kann man als die Gebietsurkunde der Energieversorgung in unserem
Versorgungsgebiet betrachten. Jetzt gab es erstmalig auf
Landesebene eine Dienststelle, die sich mit der Elektrifizierung
beschäftigen mußte, und die vor allem versuchte, eine
einheitliche Regelung zu schaffen.
Das war natürlich nicht ganz
einfach, denn einige Städte, vor allem Schwerin, hatten sich ja
schon eine Ausgangsposition geschaffen, die sie nicht gern
aufgeben wollten. In Schwerin war 1910 das erste 5 kV Kabel
durch den Schloßgarten nach Zippendorf verlegt worden und mit
1,4 km Freileitung ging es weiter nach Mueß. Die errichteten
Ortsnetze hatten in Zippendorf 10 und in Mueß 19 Hausanschlüsse.
Übrigens waren dies die ersten Abnehmer des E-Werkes, die mit
Drehstrom versorgt wurden. Die Spannung betrug 127/220 V. Im
gleichen Jahr begann auch schon die erste "Umstellung", denn das
Schloßgartengebiet, das zunächst mit Gleichspannung versorgt
wurde, erhielt Drehstrom mit der Spannung 220/380 V. Hier hatten
die alten Stadtväter einen wirklich vorausschauenden Blick, denn
diese Spannung ist heute die allgemein übliche Niederspannung
zur Versorgung der Haushalte. Die Drehstromversorgung erfolgte
im E-Werk mit zwei Gleichstrom-Drehstrom-Umformern mit einer
Leistung von 25 und 40 kW. Auch eine weitere Sauggasmaschine mit
einem 200-kW-Gleichstromgenerator wurde aufgestellt. Erstmalig
wurden in diesem Jahr mehr als eine Mio kWh abgegeben und die
Höchstlast betrug 832 kW. Das waren Zahlen, an denen man sich
damals berauschen konnte.
1912 wurde der Sachsenberg mit
seiner Heilanstalt energiemäßig erschlossen und mit einem 2,2 km
langen Hochspannungskabel (5 kV) angeschlossen. Doch damit war
gleichzeitig die Stromabgabe bis zur Grenze der
Leistungsfähigkeit des E-Werkes gestiegen und nach 8-jährigem
Bestehen des Werkes stand die Stadt vor der Frage, ob eine
Vergrößerung, eine Verpachtung oder Strombezug von auswärts
vorzusehen ist. Schließlich beschloß der Bürgerausschuß mit
einer ausreichenden Mehrheit, daß das E-Werk zu vergrößern ist.
Auf Grund dieses Beschlusses wurde 1913 die Maschinenhalle
erweitert und endlich entschloß man sich auch, zwei
Dieselmotoren mit einem Gleichstrom- und einem
Drehstromgenerator von je 220 kW zu installieren. Die
installierte Erzeugerleistung betrug damit 1290 kW. Das Jahr
1913 war recht positiv für das E-Werk verlaufen. 1333
Hausanschlüsse gab es bereits und 1,9 Mio kWh wurden nutzbar
abgegeben. Ja, man erfreute sich an den großen Zahlen.
Aber dann kam das böse Jahr 1914
mit dem 1. Weltkrieg und die Kriegsproduktion rückte an die
erste Stelle. Zwei neue Treibstofftanks wurden aufgestellt:
einer für 27 m³ Teeröl und einer für 24 m³ Gasöl. 1916 wurden
die Fokker-Flugzeugwerke und der Flugplatz Görries mit 4,6 km
langen Kabel angeschlossen und als Reserve wurde noch ein
Gleichstrom-Drehstrom-Umformer von 240 kW aufgestellt. Während
des Krieges war keine Erhöhung der Stromabgabe zu verzeichnen.
Gewiß war mit den Fokker-Werken ein damaliger Großabnehmer mit
wohl etwa 200 bis 300 kW Leistung am Netz, aber die sogenannten
"Privaten" und Geschäfte drosselten doch ihre Abnahme. Als auch
das qualifizierte Personal als "Kanonenfutter" eingezogen war,
konnten die Wartungs- und Reparaturarbeiten nicht mehr
fachgerecht durchgeführt werden. Es gab zeitweise Ausfälle und
für einige Maschinen sogar Totalausfälle. Da aber die
Rüstungsindustrie, und hier besonders die Fokker-Werke, nach dem
elektrischen Strom schrien, wurde schnell eine Lokomobile auf
dem Hof des E-Werkes aufgestellt und da das aber noch nicht
ausreichte, wurde die damalige Theaterzentrale zur
Stromlieferung mit herangezogen. Somit kann man sagen, daß hier
der erste Parallelbetrieb zweier Kraftwerke in unserem Bezirk
durchgeführt wurde. Eine hübsche technische Leistung, nur leider
für eine schlechte Sache. Am Ende des Jahres 1918 standen nur
noch etwa 950 kW Kraftwerksleistung mehr schlecht als recht zur
Verfügung. Die vier Kriegsjahre hatten auch im E-Werk ihre
Spuren hinterlassen. Es war eigentlich nur noch ein geputzter
Schrotthaufen, denn das muß man sagen: es mußte stets alles
blitzen und blinken.
Nach eingehenden Überlegungen
blieben die Schweriner Stadtväter stur und bei ihrem eigenen
E-Werk. Die Sauggasmotoren sollten verschrottet werden und
modernen Dieselanlagen Platz machen.
Übrigens ist die Fernheizung
keine Errungenschaft unserer Zeit, denn schon ab 1925 wurde eine
solche in Schwerin betrieben und sie unterstand auch schon der
Energieversorgung, nämlich dem E-Werk. Die Dieselmotoren mußten
ja ständig laufen und um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern,
wurde das heiße Kühlwasser im ersten Fernheizwerk der Stadt
Schwerin ökonomisch genutzt. Mit Zentralheizungen wurden eine
Anzahl Häuser in der August-Bebel-Straße, Arsenalstraße und
Friedrichstraße sowie das Hauptpostamt mit ausreichender Wärme
versorgt.
Arbeiter des E-Werks Schwerin beim
Bau einer Abwärmeableitung zur Nutzung als Fernheizung (1924 auf
dem Hof des E-Werkes)
Zur gleichen Zeit
entfaltete die Landes-Elektrizitätswerke (LEW) eine rege
Bautätigkeit auf dem Lande. Der Geschäftsführer
Oberingenieur Schulze hatte mit Blick auf die
benachbarten Märkischen Elektrzitätswerke (MEW) die
Mittelspannung auf 15 kV und die Niederspannung auf
220/380 kV festgelegt. Es entstanden Kraftwerke,
Mittelspannungsanlagen, Trafostationen und Ortsnetze,
die zum Teil heute noch stehen. Der Schweriner Regierung
gelang es, einige betriebserfahrene Fachleute aus
Pommern zu gewinnen. Das Büro wurde im Gewächshaus im
Schweriner Schloßgarten aufgeschlagen. Von hier aus
gingen die ersten dienstlichen Anweisungen, Bestellungen
und übernahmen hinaus. Schnell erwarb man durch
Übernahme der Genossenschaftsnetze Plate und Conow einen
Bestand an eigenem Betriebsvermögen. Diese
Genossenschaften haben für unser Mittelspannungsnetz
jeweils Ausgangspunkte dargestellt. Die Leitungsführung
der Plater Genossenschaft, die ihre Elektroenergie von
der Stadt Schwerin bezog, verband die Orte Plate,
Consrade, Peckatel, Banzkow, Goldenstädt, Sukow, Jamel
und Fahrbinde. Die Genossenschaft Conow bezog ihre
Elektroenergie von dem 600 kW-Kraftwerk der
stillgelegten Braunkohlegrube und versorgte die Dörfer
Conow, Karenz, Malk-Göhren, Malliß, Mallißer Industrie,
Bochup, Eldena, Grebs, Neu-Grebs, Niendorf, Bresegard.
Die Mittelspannungsleitungen bestanden aus Holzmasten
mit dem sogenannten Lyren-System, das damals eine
spezielle Siemensfertigung war. Die Ortsnetze waren
damals bereits mit Aluminiumseilen belegt, weil der
Weltkrieg alles Kupfer zur Kriegsführung benötigt hatte.
Die LEW hatten mit ihrer
Gründung auch sofort die erste Staustufe der Elde bei
der Hechtsforthschleuse oberhalb Grabow verbunden mit
einem Wasserkraftwerk vorbereitet. Obwohl hier nur 260
kW im Dauerbetrieb erzeugt werden konnten, war dies für
die Deckung der Grundlast in der ersten Ausbauzeit
vollauf ausreichend. Das nutzbare Gefälle der Elde war
hier 280 cm und die beiden Vertikal-Francis-Turbinen
hatten ein Schluckvermögen von je 8 m³ pro Sekunde. Die
beiden Turbinen arbeiteten über eine gemeinsame Welle
auf einen Generator von 366 kVA, der eine Spannung von
5000 V erzeugte. Diese Spannung wurde über einen
Transformator auf 15000 V zur "Fernübertragung"
transformiert. Da in der Gegend von Grabow noch keine
Abnahmestellen waren, mußte durch eine planmäßige und
gezielte Werbung eine Reihe von Dörfern und Gütern erst
anschlußreif gemacht werden. Gleichzeitig baute man erst
einmal die Verbindungsleitungen zu den Genossenschaften
Plate und Conow. Die Installationsfirmen beteiligten
sich rege an der Werbung und auch an der Aufklärung. Die
Werbung war zugkräftig, weil die LEW die
Baukostenzuschüsse nicht nach der Leitungslänge, sondern
nach dem Anteil an der Trafoleistung und nach der
bewirtschafteten Ackerfläche berechnete. Dadurch konnten
auch ungünstig liegende Gemeinde Strom beziehen. Ständig
meldeten sich neue Abnehmer zum Anschluß an die neue und
bequeme Energieart.
Eine besonders
interessante Geschichte war der im Juni 1922 begonnene
Bau des Mildenitzkraftwerkes bei Zülow. Hier war es
naheliegend, das Potential der Mildenitz von 22 m
Gefälle auf einer Länge von etwa 4 km für die
Stromerzeugung zu nutzen. Widerstand dagegen gab es von
den damaligen Landbesitzern, den Herren von Oertzen und
von Dallwitz. Trotz Entschädigungen in sagenhafter Höhe
wollten sie dem Bau nicht zustimmen, sodaß der Freistaat
Mecklenburg sie auf Antrag der LEW im Juni 1922 von den
benötigten Flächen enteignete. Der Bau des Kraftwerkes
war für die damaligen Verhältnisse mit gewaltigen
Erdarbeiten verbunden. Das neue Flußbett, der Kanal,
wurde mit dampfbetriebenen Eimerkettenbaggern
ausgehoben. Um die Feldbestellung weniger zu behindern,
wurde der Kraftwerkskanal über eine Länge von 300 Metern
in einem Tunnel geführt. Der Tunnel ist mit seinem
betonierten Ein- und Auslauf sehr solide gebaut und
erfüllt noch heute voll und ganz seine Funktion. Ober-
und Unterwasserkanal sowie der Stausee haben der
Landschaft keineswegs den Reiz genommen. Nach
zweijähriger Bauzeit war im Juni 1924 die
Inbetriebnahme. 1,1 MW konnte das Kraftwerk mit seinen
beiden Turbinen und Generatoren liefern. Der besondere
Wert dieses Kraftwerkes lag in der Möglichkeit, das
Wasser längere Zeit zu stauen. Es konnte somit als
Ausgleichs- und Spitzenkraftwerk benutzt werden.
Das vorgesehene
Bauprogramm der LEW war nicht mehr ausreichend und so
mußte ein zweites Bauprogramm aufgestellt werden. So
entstand allmählich ein Netz mit Schalthäusern in
Parchim, Rastow, Schwerin, Conow und Wittenburg. In der
ehemaligen Mühle Neustadt-Glewe, sie war im Jahre 1917
restlos ausgebrannt, entstand ein weiteres kleines
Wasserkraftwerk mit etwa 120 kW Leistung. Außerdem wurde
an gleicher Stelle ein Spitzenkraftwerk errichtet. Vier
U-Boot-Dieselmaschinen, die eigentlich verschrottet
werden sollten, wurden von der Kieler Germania-Werft
recht günstig gekauft und hier aufgestellt. Drei
Maschinen hatten eine Leistung von je 420 PS und eine
sogar 1000 PS. Etwas später, am 6. Februar 1925, kamen
noch zwei weitere Dieselaggregate von je 1500 PS hinzu.
Insgesamt hatte die LEW damit in Neustadt 5750 kW
elektrische Leistung verfügbar. Durch den Ausbau der
Elde als Wasserstraße ermöglicht, wurde bei Bobzin eine
Staustufe mit 7 m Gefälle gebaut und dort ein
Wasserkraftwerk mit 360 kW Leistung errichtet, welches
am 8. Mai 1925 in Betrieb genommen wurde. Als
Erzeugungsanlagen der LEW müssen schließlich noch seit
1923 die Anlagen der Grabower Mühle Bolbrügge (130 kW)
und seit 1929 der Domaine Moidentin (60kW) genannt
werden.
Die Kraftwerke der LEW
lagen verhältnismäßig günstig im Versorgungsgebiet
verteilt und mußten mit 15 kV- Leitungen verbunden
werden. Neue Abnehmer wurden meist mit Stichleitungen
angeschlossen und das Netz wurde größer. Die bestehenden
Schalthäuser wurden Mittelpunkte für die einzelnen
Netzbezirke und wurden mit je einem Leitungsrevisor und
einer größeren Anzahl von Betriebsmonteuren besetzt.
Diese hatten die Instandhaltungsarbeiten, die
Störungsbeseitigung und auch die Erweiterungen zu
erledigen. Sie sind eigentlich die Vorläufer unserer
heutigen Meisterbereiche. In der ersten Ausbauzeit war
es noch möglich, Kupfer als Leitungsmaterial zu
verwenden, doch die Inflationszeit zwang schließlich
dazu, auch Aluminium- und Eisenseile im Freileitungszug
einzubauen. Als Besonderheit möchte ich erwähnen, daß
etwa 1923 von Neustadt nach Parchim eine Leitung mit
Eisenbetonmasten gebaut wurde, die bereits eine
Spannweite von 150 m hatte. Diese Leitung war mit
Hängeisolatoren ausgerüstet und bei zunehmender
Belastung für eine höhere Betriebsspannung vorgesehen.
Bau- und Entstörungsbrigade
der LEW vor ihrem Betriebsstandort am Hopfenbruchweg
(1928) |
Obwohl in den
Krisenjahren 1929/31 überall eine rückläufige Tendenz zu
verzeichnen war, das Heer der Arbeitslosen war auf über
6 Millionen gestiegen, bricht eine starke
Aufwärtsentwicklung der Stromversorgung bei uns in
Mecklenburg an. Die Leistungen der Kraftwerke reichten
nicht mehr aus und im November 1930 mußten die LEW vom
E-Werk der Stadt Schwerin über ein eilig verlegtes
6-kV-Kabel zum LEW-Schalthaus Hopfenbruchweg
Elektroenergie beziehen. Anfangs wurden 300 bis 500 kW
abgenommen, doch im Laufe der Zeit steigerte sich der
Bezug auf 1000 kW. Doch auch damit konnte der Engpaß nur
für kurze Zeit behoben werden. Im Geschäftsjahr 1930/31
versorgten die LEW etwa 490 Ortschaften, Siedlungen und
Güter. Die Gesamtbeschaffung betrug 12 630 263 kWH. Da
knapp 10,3 Mill. kWh die Abnehmer erreichten, betrugen
die Verluste 18,7 % bei einer zur Verfügung stehenden
Trafoleistung von 14,470 MVA. Der Durchschnittspreis je
kWh betrug 18,96 Reichspfennige.
Sicherlich ist es
interessant, ein paar Worte über die Tarife der LEW zu
verlieren. Elektrizitätsgenossenschaften,
Lichtgemeinschaften, Gemeinden und Städte zahlten für
die abzunehmende Pflichtmenge 30 Pf./kWh, darüberhinaus
16 Pf./kWh. Die Pflichtmenge betrug z.B. für einen
Transformator der Größe 5/10 kVA (so etwas gab es
damals) 3000 kWh im Jahr und für einen Trafo 10/20 kVA
4300 kWh im Jahr. Güter zahlten für Lichtstrom 36
Pf./kWh und 28 Pf./kWh für Kraftstrom. Diejenige
Strommenge - Licht- und Kraftstrom gesamt - die das
Vierfache der unter dem Pfluge befindlichen Morgen (1
Morgen = 0,25 ha) überschritt, wurde mit 15 Pf./kWh
berechnet. Der Stromverbrauch der zum Gut gehörenden
Dorfbewohner wurde über das Gut mit abgerechnet. Mit
Industrieabnehmern wurden besondere Verträge
abgeschlossen, wobei der Preis je kWh zwischen 13 und 16
Pf. lag. Das galt aber nur bei einem Gasölpreis von 18
Dollar, das waren 75,60 Goldmark, je Tonne Gasöl oder
Dieselkraftstoff. Zoll und andere Steuern bedingten
einen höheren Preis.
Die Lage war Anfang 1931
für die LEW sehr schwierig, weil der Strombezug fast
lawinenartig anstieg. In der damaligen Zeit war wohl nur
ein einziger Entschluß richtig: die Fusion mit dem
großen Bruder, den Märkischen Elektrizitätswerken. Nach
der Fusion betrug 1934 die gesamte Kraftwerksleistung im
Versorgungsgebiet der MEW 340,772 MW. Der Absatz betrug
im gleichen Jahr etwa 850 Mill. kWh. Insgesamt wurden
6449 Städte und Gemeinden mit etwa 6 Mill. Einwohnern
versorgt. Die Länge des Mittelspannungsnetzes betrug
einschließlich der Überlandzentrale Pommern über 28 000
km. 69 Umspannwerke besorgten die Verteilung. Die MEW
waren ein Unternehmen, das nach sehr straffen Regeln
geleitet wurde.
Als im Januar 1933 die
Nazis an die Macht kamen, begann auch die Direktion der
MEW sofort auf den Nazikurs einzuschwenken und der
damalige Generaldirektor der MEW proklamierte lautstark,
daß man auch die letzte Hütte mit elektrischem Licht
versorgen werde. Er kündigte aber auch gleichzeitig an,
daß der Industrie der Strombezug für neue
Anwendungsgebiete ermöglicht wird. Die neuen
Anwendungsgebiete waren ganz konkret die
Rüstungsindustrie. Diese Ankündigung wurde von MEW, wie
auch von anderen Energieversorgungsunternehmen,
gewissenhaft erfüllt. Mit der Versorgung der letzten
Hütte kam man sehr stark in Verzug; das war erst unserem
Staat vorbehalten.
Die MEW waren von Anfang
an bestrebt, ein nationalsozialistischer Musterbetrieb
zu werden und das kam auch in der Betriebsordnung
unmißverständlich zum Ausdruck. Dort hieß es, daß
Betriebsangehörige, man nannte sie damals
Gefolgschaftsmitglieder, innerhalb und außerhalb des
Betriebes stets nationalsozialistisch zu handeln haben.
Aber gerade das war recht häufig nicht der Fall. Da aber
die mecklenburgische Nazi-Führung wußte, daß ohne
Elektroenergie die Wirtschaft nicht florierte, stellte
der Gauleiter Friedrich Hildebrand die Betriebsdirektion
Schwerin unter seine persönliche Aufsicht.
Betriebsverbundenheit nannte er das. Am 1.April 1937
begann der Bau des neuen Hauptgebäudes der MEW am
Obotritenring 40 und am 29.Juni bereits war Richtfest.
Die Werkzeitung der MEW berichtete darüber: "Mehr als 80
Bauhandwerker oben im offenen Bau, Direktor Petri als
Vertreter des Bauherren, Betriebsobmann Adler, der
Bauleiter Dr. Schuritz, der Betriebsführer der BD
Schwerin mit seiner Werkschar und abkömmlichen
Gefolgschaft, Vertreter der DAF und der Presse sowie
Hunderte neugierige Schweriner waren Zuschauer und
Zuhörer, als von oben aus dem Munde des Poliers der
Richtspruch erklang ..................... Ein langer
Zug marschierte dann durch die Stadt zu "Steinhäuser",
wo der Richtschmaus unserer wartete. Direktor Petri gab
hier zunächst einen Überblick über Notwendigkeit des
Baus, über die zu bewältigenden Schwierigkeiten, und
wußte gerade diesetwegen Arbeiterschaft, Baumeister und
Bauleitung den verdienten Dank zu sagen."
Übrigens war der
Stundenlohn für einen ungelernten Monteur unter 21
Jahren, wenn er auf dem Lande wohnte, 41 Pfennige. Ein
gelernter Monteur erhielt 64 Pfennige. Und wie verhielt
es sich mit dem Urlaub? Bis 26 Jahre alt = 6 Werktage,
bis 31 Jahre alt = 8 Werktage, ab 41 Jahre 12 Werktage.
Großzügig gab es dann für alte Gefolgschaftsmitglieder
mit mehr als 10-jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Tage
Treueurlaub.
1935 war dann auch Schluß
mit dem Inselbetrieb der Schweriner Stromversorgung. Es
wurde ein Stromliefervertrag mit den MEW geschlossen, in
dem festgelegt wurde, daß der gesamte Strombedarf aus
dem Überlandnetz der MEW zu beziehen ist. Nur in den
Wintermonaten wurde das E-Werk zur Erzeugung der
Spitzenlast voll eingesetzt.
Ja, die alten
Sauggasmaschinen waren 1926 verschrottet und die
Dieselmotoren beherrschten das Schweriner E-Werk. Die
Erzeugung war auf 3,5 Mill. kWh angestiegen und das
E-Werk galt etwas in der Landeshauptstadt.
Zur Verbesserung der
Spannungshaltung wurden 1926 bis 1930 im Stadtgebiet
fünf Gleichrichteranlagen und im E-Werk eine
Gleichrichteranlage neu installiert. 1928 wurden zur
Leistungsabdeckung zwei weitere Dieselmaschinen mit 1000
PS und 2000 PS aufgestellt. Die Motorenleistung
erreichte somit 6900 PS, womit insgesamt 4700 kW
elektrische Leistung erzeugt werden konnten. Nach
25-jährigem Bestehen, also 1929, war die nutzbare
Energieabgabe auf 5,465 Mill. kWh angestiegen. Es
bestanden 3 590 Hausanschlüsse und 13 160
Meßeinrichtungen. Die Stadt Schwerin war praktisch voll
elektrifiziert. Da die Erzeugungskapazität des E-Werkes
noch nicht erreicht war, konnte noch Elektroenergie an
die Überlandzentrale der MEW abgegeben werden. 1934
stieg der Bedarf der Stadt jedoch auf das kritische
Maximum 8,3 Mill. kWh und die Höchstlast betrug 3640 kW.
Es mußte binnen Kurzem mit weiteren Schwierigkeiten
gerechnet werden. Also wurde der oben genannte Vertrag
abgeschlossen.
In der Zeit von 1936 bis
1938 mußten auf Grund des Vertrages mit den MEW neue
15-kV-Kabel verlegt und neue Trafostationen gebaut
werden. Mit den Mittelspannungskabeln wurden
gleichzeitig Steuerkabel verlegt, um die im Stadtgebiet
verteilten Gleichrichteranlagen durch die neu errichtete
Fernsteueranlage vom E-Werk aus zentral zu steuern und
zu überwachen. Für die Stromversorgung der Straßenbahn
wurde eine moderne Gleichrichteranlage gebaut und eine
Pufferbatterie aufgestellt. Mit dieser Pufferbatterie
konnte der damalige Straßenbahnbetrieb nach Ausfall des
Netzes noch etwa 30 Minuten aufrechterhalten werden. Sie
hatte eine Spannung von 500 V und eine Kapazität von 800
Ah. Mit dem Ausbau des 15-kV-Kabelnetzes erhöhte sich
auch die Stromabgabe in der Stadt auf 9,8 Mill. kWh im
Jahr 1939.
Auch die erste Schweriner
"Pipeline" wurde in dieser Zeit gebaut, denn trotz der
Einschränkungen durch den MEW-Vertrag wurden neue
Treibstofftanks aufgestellt mit insgesamt 343 m³
Fassungsvermögen. Zur Auffüllung dieser Tanks wurde eine
Ölleitung vom Bahnanschlußgleis über das Gaswerk zum
E-Werk verlegt. Da das natürliche Gefälle ausgenutzt
wurde, waren keine Pumpstationen erforderlich.
Während des zweiten
Weltkrieges war in Schwerin eine stetige und ständige
Erhöhung der Stromabgabe zu verzeichnen und die
Kapazität der Gleichrichter war ausgeschöpft. Um sie vor
Überlastung zu schützen, wurde es 1942 notwendig, mit
der Umstellung von Gleich- auf Drehstrom zu beginnen.
Etwa 500 Häuser erhielten in den Jahren 1942/43
Drehstrom. 1944 wurde die Maschine VI auf Anforderung
der Wehrmacht für ein Wasserwerk im Osten demontiert und
die installierte Kraftwerksleistung sank auf 4 000 kW.
Einsprüche gegen die Demontage blieben erfolglos.
Die MEW hatten 1937 sechs
Betriebsdirektionen und eine Hauptbetriebsdirektion. Das
waren die Betriebsdirektionen Eberswalde, Frankfurt/O.,
Landsberg, Falkensee, Steglitz und Schwerin sowie die
Hauptdirektion Pommern mit den Betriebsdirektionen
Stettin, Stralsund und Belgard. Das Versorgungsgebiet
der BD Schwerin hatte etwa folgende Grenzen: Von der
Ostsee bei Ahrenshoop bis Ribnitz entlang der Recknitz
über Bad Sülze, Gnoien, Dargun, Malchin entlang der
Peene über Sorgenlos, Neu Schlön, Waren, östlich der
Müritz, Röbel, Wendisch-Priborn, Putlitz, Wolfshagen,
Söllentin bis zur Havel, abwärts bis zur Elbe, bis
Horst, Boize, weiter Stintenburg, Dutzow, Schlagbrügge,
Herrnburg, Dassow bis zur Ostsee. Daß die MEW ein
ertragreiches Unternehmen war, geht aus einer Meldung
des "Prignitzer Generalanzeigers" vom 22. April 1938
hervor. Danach wurden 1937 1,34 Milliarden kWh
Elektroenergie mit einem Reingewinn von 7,75 Mill.
Reichsmark verkauft. Für die Aktionäre wurde eine
Dividende von 10 Prozent ausgeschüttet.
In dieser Zeit wurden
eine ganze Reihe neuer Anlagen errichtet, wie z.B. 1933
UW Güstrow, 1936 UW Hagenow, 1937 UW Schwerin-Lankow und
UW Wismar. Natürlich mußten auch die entsprechenden
Leitungen gebaut werden, die auch heute noch in Betrieb
sind. Als eine Meisterleistung muß man den Bau der
110-kV-Leitung durch den Schweriner See und die
Überquerung des Ramper Moores ansehen. Für die BD
Schwerin gab es 1937 ein besonderes Bauvorhaben. Am 1.
April wurde am Obotritenring (damals Niklotring) mit dem
Neubau des Verwaltungsgebäudes begonnen und im Februar
1938 war der Umzug von der Lübecker Str. 11 in das neue
Gebäude. Etwa 500 Beschäftigte hatte die damalige
Betriebsdirektion mit 15 Betriebsteilen, die den
heutigen Meisterbereichen etwa gleichzusetzen sind. Der
Motorisierungsgrad war sehr schwach. Die
Leitungsrevisoren, die heutigen Meister, besaßen ein
betriebliches Motorrad und später ein Auto. Der alte
Opel P4 mit einem Kastenaufbau sollte das
Standardfahrzeug werden. Für die Monteure war das
Fahrrad übliches Verkehrsmittel. Störungssuche und
Störungsmeldung waren damals immer ein Problem, denn
Telefone gab es noch nicht in großer Zahl und meistens
waren sie gleichzeitig mit den Mittelspannungsleitungen
gestört.
In den ersten Monaten des
Jahres 1945 wurde Mecklenburg zum Kriegsschauplatz. Zwar
waren die Hauptkräfte der faschistischen Wehrmacht
geschlagen, doch flackerten hier und da noch vereinzelt
Kämpfe auf. Vom Osten rückte die Sowjetarmee vor und vom
Westen drangen die englischen und amerikanischen
Verbände vor. Etwa auf der Linie Wismar - Rabensteinfeld
- Ludwigslust begegneten sich die Verbände der
Antihitlerkoalition. Die Straßen waren voller
Flüchtlinge, die ein Obdach suchten und große Kolonnen
der deutschen Wehrmacht zogen in die Gefangenschaft. Die
Menschen waren verängstigt, die Wirtschaft total
zerstört. In Mecklenburg war die
Elektroenergieversorgung zusammengebrochen, weil die
110-kV-Leitungen gestört waren. Auch die
Mittelspannungsleitungen und einige Ortsnetze waren
durch Kriegseinwirkungen beschädigt. Die Gesamtleistung
aller Kraftwerke in unserem Versorgungsgebiet betrug
10,2 MW, sodaß fast der gesamte Leistungsbedarf über die
damaligen 110- und 50-kV-Leitungen angeliefert werden
mußte. Im Februar 1945 waren bei Quitzow, kurz vor
Perleberg, zwei Waggons mit Tellerminen explodiert und
hatten die 110-kV-Leitung Perleberg-Hagenow zerstört.
Bei Kriegsende war die 110-kV-Leitungen Bleckede-Hagenow
durch Beschuß zerstört und im Schweriner See lagen die
Seile der 110-kV-Leitung Hagenow-Güstrow.
Gleich nach Kriegsende
ergriff der Meister Beuchling die Initiative und baute
mit Holzportalen ein Provisorium, um die 110-kV-Leitung
Perleberg-Hagenow wieder betriebsbereit zu machen. Die
110-kV-Leitung Hagenow-Bleckede wurde damals unter
Verantwortung des Meisters Schulze im Verlaufe von 10
Tagen repariert. Die Reparatur geschah unter strenger
amerikanischer Bewachung, wobei eine große Anzahl
provisorischer Holzportale gestellt wurden. Dabei ging
es in erster Linie aber darum, daß die amerikanischen
Besatzungstruppen mit Elektroenergie versorgt werden
konnten und nicht die Bevölkerung. Kollege Schulze hat
mir von den brutalen Methoden der amerikanischen
Militärbehörden berichtet, die nur forderten und keine
Hilfe gaben.
Es war wirklich eine Zeit
des Neuanfangs. Ein großer Teil des leitenden Personals
war aus dem Krieg nicht zurückgekehrt, ein anderer Teil
war nach dem Zusammenbruch untergetaucht. Es mangelte an
Ingenieuren und Meistern. Notgedrungen wurden Ingenieur-
und Meisterfunktionen von tatkräftigen Kollegen mit
großer Umsicht und hoher Verantwortung ausgeübt. Ich
möchte hier gern einige nennen, die mir bekannt sind:
Die schon erwähnten Meister Beuchling und Schulze, aber
auch Max Siebenbrodt, Ernst Lüth, Otto Schulze, Max
Thiele, den Kollegen Busacker aus Conow, die Kollegen
Jahnke und Olbricht, Willy Pieplow, Paul Leu, Herbert
Fick, Hans Vick, Alfred Tamm, Erwin Schwantusch und
Kollege Pröhl sollen stellvertretend für alle tüchtigen
Kollegen genannt werden. An dieser Stelle möchte ich
hervorheben, daß ich vorallem Ernst Lüth, Obermonteur in
Lankow, und Erich Arndt (vielen noch bekannt als Käp´ten
Arndt) viele wertvolle Nachrichten und Hinweise und
manches schriftliche Material über unseren Betrieb
verdanke.
Nun war natürlich auch
die Zeit herangereift, eine neue Leitung des Betriebes
zu bilden. Das leitende Personal der Betriebsdirektion
war zum großen Teil Mitglied der Nazipartei und zu einem
Teil sogar Mitglied der berüchtigten SS. Nur die
Kollegen Anthon und Lohse (Papa Lohse) hatten dem Druck
der Nazis widerstehen können. Hans Anthon löste den noch
im Amt befindlichen Betriebsdirektor Schulze (nicht zu
verwechseln mit dem Meister Schulze) ab. Insgesamt
wurden 35 NSDAP-Mitglieder aus dem Betrieb entlassen. In
der Folge entstand eine neue Leitung der
Betriebsdirektion, die antifaschistisch und demokratisch
orientiert war. Damit bürdeten sich die Kollegen, die
unter den damaligen Bedingungen die Leitung des
Betriebes übernahmen, eine große Verantwortung,
gewaltige Aufgaben und ein unerschöpfliches Maß an
Arbeit auf. Zu den bereits genannten Kollegen möchte ich
noch die Kollegen Stahnke, Paul Leu, Karl Mahnke, Werner
Schmutzler, die Kollegin Utermark, Hans Rilk und etwas
später die Kollegen Paul-Friedrich Voß (genannt P.F.)
und Toni Scherer nennen. Sicher ist mancher vergessen
worden in meiner Aufzählung. Ihnen allen gebührt Achtung
und Anerkennung für die übernommenen Pflichten. |
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