Erkenntnistradition betreffend
“Das Wahre oder der Weltgeist oder das Weltbewußtsein”
1. Buch Mose
(13.Jahrhundert vor Chr.)
Und Gott der Herr machte den Menschen
aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine
Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.
Bhagavad-Gita ( seit ? mündlich, seit 350 v.Chr. schriftlich im
Mahabharata )
Vers 6.45
...erreicht er nach vielen, vielen
Geburten der Vorbereitung die Vollkommenheit...
Vers 13.17
Obwohl die Weltseele unter alle Wesen
aufgeteilt zu sein scheint, ist sie niemals geteilt. Sie ist in ihrer
Existenz eins.
Griechische Mythologie ( seit ? mündlich )
Prometheus erschuf das Menschengeschlecht: Aus einem Erdenkloß formte er
die Gestalt des Menschen nach dem Ebenbild der Götter. Pallas Athene,
die Göttin der Weisheit, blies dem Gebilde göttlichen Odem ein.
Konfuzius ( 551 bis 479 vor Chr. )
In "Gespräche"
Tradition ist nicht Bewahren der Asche,
sondern Weitertragen der Glut.
Aristoteles ( 384 - 322 v.Chr. )
In „Von der Seele”
...sind die Seele und der Leib miteinander das Lebewesen.
Darum ist auch die Annahme jener die richtige, die behaupten, die Seele
könne weder ohne den Leib noch selbst ein Leib sein. Sie ist nicht ein
Leib, aber etwas am Leibe, und darum ist sie auch in einem Leibe, und
zwar in einem Leibe von bestimmter Beschaffenheit.
Apostel Paulus ( ? bis 62 )
Im 1. Brief an die Korinther
Wisset ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel
seid und der Geist Gottes in euch wohnt?
Wisset ihr nicht, daß eure Leiber die
Glieder des Leibes Christi sind?
Oder wisset ihr nicht, daß euer Leib ein
Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist?
Ihr aber seid der Leib Christi und ein
jeglicher ein Glied nach seinem Anteil.
....
Evangelium des Matthäus ( etwa 150 n. Chr.
)
Kap. 5, V. 48
Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie
euer Vater im Himmel vollkommen ist.
Kap. 7, V. 16-20
Ich aber sage Euch: ... An ihren Früchten
werdet ihr sie erkennen. Liest man vielleicht jemals Trauben von
Dornsträuchern oder Feigen von Disteln? Ebenso bringt jeder gute Baum
vortreffliche Frucht hervor, aber jeder faule Baum bringt wertlose
Frucht hervor; ein guter Baum kann nicht wertlose Frucht tragen, noch
kann ein fauler Baum vortreffliche Frucht hervorbringen. Ihr werdet also
die Menschen wirklich an ihren Früchten erkennen.
Evangelium des Johannes ( etwa 150 )
Kap. 1, V. 14.
Und der Geist ward Fleisch und wohnte in
uns.
Kap. 3, V. 5
Jesus antwortete:
Was vom Fleische geboren wird, das ist
Fleisch; und was vom Geiste geboren wird, das ist Geist.
Laß dich's nicht wundern, daß ich dir
gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden.
Apostelgeschichte ( etwa 150 bis 200 )
Kap. 2, V. 4
Und sie wurden alle voll des heiligen
Geistes und fingen an zu predigen mit anderen Zungen, nach dem der Geist
ihnen gab auszusprechen.
Mohammed ( 570 bis 632 )
Im Koran
40. Sure
Er ist von erhabenem Rang und sendet den
Geist aus seinem Logos auf wen er will...
32. Sure
Er ist der Mächtige und
Barmherzige, der alle Dinge gut erschaffen hat und der des Menschen
Schöpfung aus Ton hervorgebracht. Alsdann formte er ihn und blies in ihn
von seinem Geiste und gab euch Gehör, Gesicht und Herzen.
16. Sure
Er sendet die Engel mit dem Geist aus
seinem Logos herab auf wen er will...
15. Sure
Und der Herr sprach zu den Engeln: "Siehe
ich erschaffe einen Menschen aus Lehm und Schlamm und wenn ich ihn
gebildet und ihm von meinem Geiste eingehaucht habe, so fallet vor ihm
nieder."
Ibn Ruschd (auch genannt Averroes) (
1126 bis 1198 )
In "Die Widerlegung des Gazali"
S. 33 Der eine Mensch ist vom anderen
Menschen individuell verschieden, hat aber der Seele nach Gemeinsames
mit ihm (eine Spezies). Es ist also notwendig, zu behaupten, die Seelen
der Beiden enthalten eine gemeinsame Seele. Dieser kommt die Zerteilung
in Individua nur auf Grund der verschiedenen Körper zu.
S. 220 Daraus kann man einen Beweis dafür
führen, daß ein einheitliches Wissen existiert, das viele Erkenntnisse,
ja sogar unbegrenzt viele, erfaßt, ohne dadurch seine Einheit
einzubüßen.
S. 272 Das Erkennen ist etwas, was
zwischen einem Aktiven und einem Passiven stattfindet, dem Erkennenden
und dem Erkannten. Die Sinne können nun aber nicht aktiv und passiv
gleichzeitig sein. Kein Mensch kann sich also vollständig selbst
erkennen, denn sein Selbst ist etwas anderes, als das, mittels dessen er
denkt.
Die Sinne nehmen mit dem vierzigsten
Lebensjahr ab, die Erkenntnis jedoch nimmt zu. Sie ist also
unkörperlich.
S. 273/274 Der Geist erfaßt einen
Gedanken. Dabei ist dieser Gedanke nicht nach Ort und Körper individuell
teilbar. Er verschwindet nicht, wenn eines der Individua vergeht. Aus
diesem Grund sind die Wissenschaften weder dem Entstehen noch Vergehen
unterworfen, es sei denn, sie sind durch einen einzelnen Gelehrten
verwirklicht. Dann sind sie mit diesem Gelehrten vergänglich, aber nicht
universal.
Ebenso ist der gemeinsame Geist, die
gemeinsame Seele ... ( wie
eben die Wissenschaft) unvergänglich und unteilbar.
S. 279/280 Die Philosophie erstrebt die
Kenntnis des Glücks nur für einige Menschen (die Elite), während
die Religionen die Unterweisung (und dadurch das Glück) aller Menschen
im Auge haben. Da nun aber die Existenz und das Glück der Elite nur in
Gemeinschaft mit der Menge erreicht wird, ist die für die Ungebildeten
bestimmte Unterweisung auch notwendig für die Existenz und das Leben der
Elite.
Gelangt der Mensch in den Kreis der
Gebildeten, muß er doch auch die Religion seiner Zeit für sich
erwählen. Aus diesem Grund wurden die Gelehrten, die in Alexandrien das
Volk unterrichteten, zu Muslimen, als die Religion des Islam zu ihnen
gelangte; und die Gelehrten in Byzanz und Rom wurden zu Christen, als
die Religion Christi dort die bekannteste wurde.
S. 305/306 Die Seele ist eine Eigenschaft
des lebendigen Körpers, wird also von diesem individualisiert. Ohne den Leib ist
sie nicht individuell, sondern eine einzige gemeinsame für alle Menschen. In dem
Leib hat sie also ihre Möglichkeiten, wie alle übrigen Eigenschaften des
Leibes. ... Nur im Körper ist die individuelle Existenz der Seele
möglich. Ohne Körper ist sie eine allgemeine Eigenschaft möglicher Individua.
Martin Luther ( 1483 bis 1546 )
Im kleinen Katechismus
Ich glaube, daß ich nicht aus eigener
Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn glauben oder zu ihm
kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium
berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiliget und
erhalten; gleichwie er die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt,
erleuchtet, heiliget und bei Jesu Christo erhält im rechten, einigen
Glauben.
Giordano Bruno ( 1548 bis 1600 )
In “Dialoge über die Ursache, das Prinzip
und das Eine”
...Daraus wird gefolgert, daß ein
unendlicher Geist auf verschiedene Art und Weise das Weltall erfüllt und
umfaßt.
...da dieser Geist immerfort mit der Materie zusammen ist,...es
unmöglich ist, daß irgendein Ding in irgendeiner Hinsicht der Substanz
nach vergeht oder umkommt.
..., daß die Seele im Körper ist wie im
Schiff der Steuermann: Insofern der Steuermann zusammen mit dem Schiff
bewegt wird, ist er dessen Teil; insofern er aber als derjenige
betrachtet wird, der das Schiff steuert und bewegt, versteht man ihn
nicht als dessen Teil, sondern als davon unterschiedenes Bewirkendes.
So auch ist die Weltseele, insoweit sie
beseelt und gestaltet, innerer und formaler Teil des Universums;
insofern sie dieses aber lenkt und regiert, ist sie nicht dessen Teil,
und ihr Sinn erfüllt sich nicht als Prinzip, sondern als Ursache.
Benedictus de Spinoza ( 1632 bis 1677 )
In „Die Ethik”
...ist der Mensch...nur Ursache der
Existenz, nicht aber des Wesens eines anderen Menschen...
Friedrich II. von Preußen ( 1712 - 1786 )
"Alle Religionen sind gleich und gut, wenn
nur die Leute, die sie ausüben, ehrliche Leute sind; und wenn Türken und
Heiden kämen und wollten das Land bevölkern, so wollen wir ihnen
Moscheen und Kirchen bauen." - auf die Anfrage des Direktoriums, ob
ein Katholik Bürger einer preußischen Stadt werden dürfe
"Die Religionen müssen alle toleriert
werden und der Fiskus muss nur das Auge darauf haben, dass keine der
anderen Abbruch tue, denn hier muss ein jeder nach seiner Façon selig
werden." - auf die Frage, ob die katholischen Schulen in Preußen
abzuschaffen seien;
"Es heißt, dass wir Menschen Gottes
Ebenbilder auf Erden sind. Ich habe mich daraufhin im Spiegel
betrachtet. Sehr schmeichelhaft für den lieben Gott ist das nicht."
Immanuel Kant ( 1724 - 1804 )
In “Kritik der reinen Vernunft”
...drei dialektische Fragen, welche das
eigentliche Ziel der rationalen Psychologie ausmachen: nämlich
1) von der Möglichkeit der Gemeinschaft
der Seele mit einem organischen Körper...
2) vom Anfange dieser Gemeinschaft, d.i.
der Seele in und vor der Geburt...
3) dem Ende dieser Gemeinschaft, d.i. der
Seele im und nach dem Tode...
In “Was ist Aufklärung ?"
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen
aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das
Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu
bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache
derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und
des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist
also der Wahlspruch der Aufklärung.
Gotthold Ephraim Lessing ( 1729 bis
!781 )
In "Nathan der Weise"
Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osten,
der einen Ring von unschätzbarem Wert aus lieber Hand besaß.
Der Stein war ein Opal, der hundert schöne
Farben spielte, Und hatte die geheime Kraft, vor Gott und Menschen
angenehm zu machen, wer In dieser Zuversicht ihn trug.
Was Wunder, dass ihn der Mann in Osten
darum nie Vom Finger ließ; und die Verfügung traf, auf ewig ihn bei
seinem Hause zu erhalten?
Nämlich so. Er ließ den Ring von seinen
Söhnen dem geliebtesten; Und setzte fest, dass dieser wiederum den Ring
von seinen Söhnen dem vermache, Der ihm der liebste sei;
und stets der
liebste, ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft allein des Rings, das Haupt,
der Fürst des Hauses werde.
So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,
auf einen Vater endlich von drei Söhnen; die alle drei ihm gleich
gehorsam waren,
Die alle drei er folglich gleich zu lieben
sich nicht entbrechen konnte.- Was zu tun?
Er sendet in geheim zu einem Künstler, bei
dem er, nach dem Muster seines Ringes, zwei andere bestellt,
und weder Kosten noch Mühe sparen heißt,
sie jenem gleich, vollkommen gleich zu machen. Das gelingt dem
Künstler.
Da er ihm die Ringe bringt, kann selbst
der Vater seinen Musterring nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft
er seine Söhne, jeden insbesondere;
Gibt jedem
insbesondere seinen Segen, - Und seinen Ring, - und stirbt.
Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder
mit seinem Ring, und jeder will der Fürst des Hauses sein.
Man untersucht, man zankt, man klagt.
Umsonst; der rechte Ring war nicht erweislich; -
Wie gesagt: die Söhne verklagten sich; und
jeder schwur dem Richter, unmittelbar aus seines Vaters Hand den Ring zu
haben. - Wie auch wahr! -
Der Richter sprach: Ich höre ja, der
rechte Ring besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen; vor Gott und
Menschen angenehm.
Das muss entscheiden! Denn die falschen
Ringe werden doch das nicht können und also, fuhr der Richter fort:
Wohlan!
Es eifre jeder seiner unbestochnen von
Vorurteilen freien Liebe nach!
Es strebe von euch jeder um die Wette, die
Kraft des Steins in seinem Ring an Tag Zu legen!
komme dieser Kraft mit Sanftmut, mit
herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, mit innigster Ergebenheit in
Gott zu Hilf!
Georg Christoph Lichtenberg ( 1742 bis
1799 )
In „Aphorismen“
Den Geist des Jahrhunderts zu schildern,
kann man nicht die Geister der hundert einzelnen Jahre zusammenflicken
...
Man untersuche einmal, wo die Menschen,
die sich durch ihren Verstand gehoben haben, ihren Verstand herhaben.
Sie holen ihn in den Affären selbst, da, wo die Begebenheiten sind, und
nicht da, wo sie erzählt werden.
In jedes Menschen Charakter sitzt etwas, das sich nicht brechen läßt:
das Knochengebäude des Charakters ...
Johann Wolfgang Goethe ( 1749 bis 1832 )
In „Maximen und Reflexionen“
Es ist nicht genug zu wissen, man muß auch
anwenden;
es ist nicht genug zu wollen, man muß auch
tun.
1818 zu Kanzler Müller
Wenn man das Treiben und Tun der Menschen seit Jahrtausenden erblickt,
so lassen sich einige allgemeine Formeln erkennen, die je und immer eine
Zauberkraft über ganze Nationen, wie über die einzelnen ausgeübt haben,
...
und der aufmerksame Forscher setzt sich
aus solchen Formeln eine Art Alphabet des Weltgeistes zusammen ...
1824 zu Eckermann
Wenn einer fünfundsiebzig Jahre ist, kann
es nicht fehlen, daß er mitunter an den Tod denke.
Mich läßt dieser Gedanke in völliger Ruhe,
denn ich habe die feste Überzeugung, daß unser Geist ein Wesen ist ganz
unzerstörbarer Natur.
1831 zu Eckermann
Ich frage nicht, ob dieses höchste Wesen
Verstand und Vernunft habe, sondern ich fühle, es ist der Verstand, es
ist die Vernunft selber.
Alle Geschöpfe sind davon durchdrungen,
und der Mensch hat davon so viel, daß er Teile des Höchsten erkennen mag
...
Georg Wilhelm Friedrich Hegel ( 1770 bis
1831 )
In “Phänomenologie des Geistes”
...Die Reihe der Gestaltungen, welche das
Bewußtsein...durchläuft, ist die Geschichte der Bildung des Bewußtseins...
...das Individuum erkennt ...sich...als vereinzelt in seiner eignen
Individualität und in jedem seiner Mitbürger. In dem allgemeinen Geiste
...ist (jeder) der andern so gewiß als seiner selbst.
...der absolute Geist ...ist in der
Vielheit des daseienden Bewußtseins realisiert...
...so ist die Persönlichkeit aus dem
unmittelbaren Geiste ...hervorgegangen - der der allgemeine herrschende
Willen Aller und ebenso ihr dienender Gehorsam ist.
...bildet sich ...die Organisation der geistigen Massen aus, denen die
Menge der individuellen Bewußtsein zugeteilt wird.
Der Geist müßte diesen Kreislauf der Notwendigkeit von neuem durchlaufen
und immer wiederholen...
Eh daher der Geist nicht als Weltgeist sich vollendet, kann er nicht als
selbstbewußter Geist seine Vollendung erreichen.
Wenn also dieser Geist...wieder von vorn anfängt, so ist es zugleich auf
einer höhern Stufe, daß er anfängt.
...macht eine Aufeinanderfolge aus, worin einer den andern ablöste, und
jeder das Reich der Welt von dem Vorhergehenden übernahm.
Was wir geschichtlich sind, der Besitz,
der uns, der jetzigen Welt abgehört, ist nicht unmittelbar entstanden
und nur aus dem Boden der Gegenwart gewachsen, sondern dieser Besitz ist
die Erbschaft und das Resultat der Arbeit und zwar der Arbeit aller
vorhergehenden Generationen des Menschengeschlechts.
Arthur Schopenhauer ( 1788 bis 1860 )
In “ Aphorismen “
Wie jeder Mensch eine Physiognomie hat,
nach der man ihn vorläufig beurteilt; so hat auch jedes Zeitalter eine,
die nicht minder charakteristisch ist. Denn der jeweilige Zeitgeist
gleicht einem scharfen Ostwinde, der durch alles hindurchbläst. Daher
findet man seine Spur in allem Tun, Denken, Schreiben, in Musik und
Malerei, im Florieren dieser oder jener Kunst: allem und jedem drückt er
seinen Stempel auf; ...
Ich kann tun, was ich will: Aber ich
vermag nicht, es zu wollen; weil die entgegenstehenden Motive viel
zuviel Gewalt über mich haben, als daß ich es könnte.
In “ Über die Freiheit des
menschlichen Willens “
... er sieht sehr wohl ein, daß hier
objektiv ... eine ganz andere Handlung ... hätte geschehen können, wenn
er ein Anderer gewesen wäre: hieran allein hat es gelegen. Ihm, weil er
dieser und kein Anderer ist, weil er einen solchen und solchen Charakter
hat, war freilich keine andere Handlung möglich .
... an dem, was wir tun, erkennen wir was wir sind.
In “ Über die Grundlage der Moral “
Ein Mensch, der ... ein guter Mensch genannt, ...weniger als die Übrigen
einen Unterschied zwischen sich und Andern macht.
Die Lehre, daß alle Vielheit nur scheinbar sei, daß in allen Individuen
dieser Welt ... doch nur Eines und dasselbe, in ihnen allen gegenwärtige
und identische, wahrhaft seiende Wesen sich manifestiere, diese Lehre
ist ... von jeher dagewesen.
Hingegen der, welcher in allen Andern ...
sein eigenes Wesen, sich selbst erblickte, ... der verliert durch den
Tod nur einen kleinen Teil seines Daseins ... und die Täuschung
verschwindet, welche sein Bewußtsein von dem der Übrigen trennte.
Heinrich Heine ( 1797 bis 1856 )
In “ Geschichte der Religion und
Philosophie “
... dieses geschieht nicht in dem
einzelnen und durch den einzelnen Menschen, sondern in und durch die
Gesamtheit der Menschen: so daß jeder Mensch nur einen Teil des
Gottweltalls auffaßt und darstellt, alle Menschen zusammen aber das
ganze Gottweltall in der Idee und in der Realität auffassen und
darstellen werden. Jedes Volk vielleicht hat die Sendung, einen
bestimmten Teil jenes Gottweltalls zu erkennen und kundzugeben, eine
Reihe von Erscheinungen zu begreifen und eine Reihe von Ideen zur
Erscheinung zu bringen, und das Resultat den nachfolgenden Völkern,
denen eine ähnliche Sendung obliegt, zu überliefern.
Philipp Spitta ( 1801 bis 1859 )
In seinem Pfingstlied
Oh komm, du Geist der Wahrheit und kehre
bei uns ein.
Verbreite Licht und Klarheit, verbanne
Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer, rühr Herz und
Lippen an,
daß jeglicher Getreuer den Herrn bekennen
kann.
Karl Marx ( 1818 bis 1883 )
In “ Thesen über Feuerbach “
...das menschliche Wesen ist ...das Ensemble der gesellschaftlichen
Verhältnisse.
Die Philosophen haben die Welt nur
verschieden interpretiert, es kömmt darauf an, sie zu verändern.
In “ Die deutsche Ideologie “ (mit Engels)
Er sieht...wie die ihn umgebende sinnliche
Welt...das Resultat der Tätigkeit einer ganzen Reihe von Generationen
ist, deren jede auf den Schultern der vorhergehenden stand, ihre
Industrie und ihren Verkehr weiter ausbildete, ihre soziale Ordnung nach
den veränderten Bedürfnissen modifizierte.
Das Bewußtsein ist ...von vornherein schon ein gesellschaftliches
Produkt und bleibt es, solange überhaupt Menschen existieren.
Friedrich Engels ( 1820 bis 1895 )
Im “ Anti-Dühring “
...müssen wir zuerst untersuchen, was das
menschliche Denken ist. Ist es das Denken eines einzelnen Menschen?
Nein!
Aber es existiert nur als das Einzeldenken
von vielen Milliarden vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger
Menschen.
Mit anderen Worten: die Souveränität des
Denkens verwirklicht sich in einer Reihe höchst unsouverän denkender
Menschen...
In “ Ludwig Feuerbach und der Ausgang der
klassischen deutschen Philosophie “
Alles was die Menschen in Bewegung setzt, muß durch ihren Kopf hindurch.
Albert Schweitzer ( 1875 bis 1965 )
In Straßburger Predigten 1919
Man kann nicht sagen, daß die Menschheit irgend einen Zweck in der Welt
verwirklicht, sondern sie ist selber Zweck.
Was ich als das in uns drängende Ziel des Seins verstehe, ist, daß mein
Leben zugleich mit dem aller Menschen auf seinen höchsten Wert gebracht
werde.
Das ist der Weltgedanke, wie ich ihn in
mir erlebe.
Die Entwicklung des Menschen und der Menschheit hat eine das Sein der
ungeheuren Welt erfüllende und überragende Bedeutung, weil es sich um
etwas Geistiges handelt.
In dem Menschen und in der Menschheit
kommt Gott, der Weltgeist, wie es die Mystiker immer sagten, zum
Bewußtsein seiner selbst, und zwar zu einem um so reineren
Selbstbewußtsein, je mehr sich Mensch und Menschheit geistig und
sittlich vollenden.
Wladimir Iljitsch Lenin ( 1870 bis 1924 )
In „Zwei Taktiken der
Sozialdemokratie“
Es gibt keine abstrakte Wahrheit, die Wahrheit ist immer konkret.
Rabindranath Tagore ( 1861 bis 1941 )
In „Das Heim und die Welt“
Was wahr ist, ist weder gut noch böse, sondern einfach wahr.
Carl Gustav Jung ( 1875 - 1961 )
In „Das Grundproblem der
gegenwärtigen Psychologie“
So enthält auch das menschliche
Unbewußte die ganze vererbte Lebens- und Funktionsform der Ahnenreihe,
sodaß bei jedem Kinde eine angepaßte psychische Funktionsbereitschaft
schon vor allem Bewußtsein vorhanden ist. ... Das Unbewußte nimmt war,
hat Absichten und Ahnungen, fühlt und denkt ähnlich wie das Bewußtsein.
Könnte man das Unbewußte personifizieren, so wäre es ein kollektiver
Mensch, jenseits der geschlechtlichen Besonderheit, jenseits von Jugend
und Alter, von Geburt und Tod, und würde über die annähernd unsterbliche
menschliche Erfahrung von ein bis zwei Millionen Jahren verfügen. Dieser
Mensch wäre schlechthin erhaben über den Wechsel der Zeiten.
In „Einige Aspekte der modernen
Psychotherapie“
Diese Tatsache impliziert, daß ein Mensch sich in einer bestimmten
Situation wahrscheinlich ebenso verhalten wird, wie seine Vorfahren sich
verhielten. Das Unbewußte wird also als eine allgemeine Prädisposition
zu extremem Konservatismus aufgefaßt.
Es führt nirgendshin, wenn man glaubt, die vitale Basis des Menschen sei
nur persönlicher Art. Zerreißt man den Schleier dieser ungesunden und
falschen Vorstellung, so gelangt man aus der engen, dumpfen,
persönlichen Athmosphäre in den weiten Bereich der kollektiven Psyche
und in die gesunde, natürliche Matrix des menschlichen Geistes, d.h. in
die Seele der Menschheit.
In „Gegenwart und Zukunft“
Die Struktur und Physiologie des Gehirns ermöglichen keine Erklärung des
Bewußtseinsvorganges. Die Psyche besitzt eine Eigenart, die sich auf
nichts anderes oder ähnliches reduzieren läßt.
... Damit kommt der Psyche die Würde
eines kosmischen Prinzips zu, welches ihr – philosophisch und de facto –
neben dem Prinzip des physischen Seins eine ebenbürtige Stellung
anweist.
In „Über die Natur“
Es dauert lange, bis das Kind eine eigene Psychologie entwickelt, und
alle Versuche, eine Psychologie des Kindes zu schaffen, werden ziemlich
verhängnisvoll sein, wenn wir das Faktum übersehen, daß es sich dabei um
eine Psychologie des Kollektiven handelt.
Der Mensch ist nämlich „im Besitz“ vieler Dinge, die er sich nie
erworben, sondern die er von seinen Ahnen ererbt hat. Er wird ja nicht
als tabula rasa, sondern bloß als unbewußt geboren. Er bringt aber
spezifisch menschlich organisierte, funktionsbereite Systeme mit, welche
er den Millionen Jahren menschlicher Entwicklung verdankt.
Und der bewußte Geist hat den ursprünglichen Geist nie gekannt, weil
dieser bei der Entfaltung eines sehr differenzierten Bewußtseins,
welches allein ihn erkennen könnte, abgestreift wurde.
Ebenso wie die Entwicklung des Embryos die Vorgeschichte wiederholt, so
entwickelt sich auch der Geist durch eine Serie von prähistorischen
Stufen.
Die Persönlichkeit entwickelt sich im Laufe des Lebens aus schwer oder
gar undeutbaren Keimanlagen, und erst durch unsere Tat wird es offenbar,
wer wir sind.
„Über den Menschen“
Der Mensch hat zweierlei Zwecke: der erste ist der Naturzweck,
die Erzeugung von Nachkommenschaft und alle Geschäfte des Brutschutzes,
wozu Gelderwerb und soziale Stellung gehören. Wenn dieser Zweck
erschöpft ist, beginnt eine andere Phase: der Kulturzweck.
Wir haben als Kulturmenschen ein Alter
von etwa fünftausend Jahren. Davor kommt eine prähistorische Zeitspanne
von bedeutend größerer, aber unbestimmter Länge, während welcher man
etwa den Kulturzustand der Sioux-Indianer erreichte; und dann kommen
unbestimmt viele Hunderttausende von Jahren der bloßen Steinkultur bis
zurück zu einer vermutlich noch unendlich viel längeren Zeit, welche den
Schritt vom Tier zum Menschen bewerkstelligte.
... bringt der natürliche
Individuationsprozeß eine Bewußtheit menschlicher Gemeinschaft hervor,
weil er eben das alle Menschen verbindende und allen Menschen gemeinsame
Unbewußte zur Bewußtheit führt. Die Individuation ist ein Einswerden mit
sich selbst und zugleich mit der Menschheit, die man ja auch ist.
Wir können also nicht tun, was wir wollen, denken was uns gefällt, denn
es könnte gegen jene Bewußtheit verstoßen, die eine Million Jahre alt
ist; sie wird auf plötzliche Weise reagieren.
Ein Archetypus gehört der Struktur des kollektiven Unbewußten an, aber
da wir das kollektive Unbewußte in uns tragen, gehört er auch zu unserer
persönlichen Struktur.
... der historische, allgemeine Mensch
in uns reicht dem eben gewordenen individuellen Menschen die Hand ...
Albert Einstein ( 1879 bis 1955 )
In „Wie ich die Welt sehe “
Jeden Tag denke ich unzählige Male daran, daß mein äußeres und inneres
Leben auf der Arbeit der jetzigen und der schon verstorbenen Menschen
beruht, daß ich mich anstrengen muß, um zu geben im gleichen Ausmaß, wie
ich empfangen habe und noch empfange.
In “ Gemeinschaft und Persönlichkeit “
Was der einzelne ist und bedeutet, ist er
nicht so sehr als Einzelgeschöpf, sondern als Glied einer großen
menschlichen Gemeinschaft, die sein materielles und seelisches Dasein
von der Geburt bis zum Tode leitet.
Es sieht auf den ersten Blick so aus, wie wenn die sozialen
Eigenschaften eines Menschen allein für seine Beurteilung maßgebend
wären. Und doch wäre eine solche Auffassung nicht richtig.
Einer hat einmal den Gebrauch des Feuers, einer den Anbau von
Nährpflanzen, einer die Dampfmaschine erfunden. Nur das einzelne
Individuum kann denken und dadurch für die Gesellschaft neue Werte
schaffen, ja selbst neue moralische Normen aufstellen...
Eine gesunde Gesellschaft ist also ebenso an Selbständigkeit der
Individuen geknüpft wie an deren innige soziale Verbundenheit.
Persönlichkeiten werden nicht durch schöne
Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung.
In “ Lehrer und Schüler “
Liebe Kinder! ... Denkt daran, daß die
wunderbaren Dinge, die ihr in euren Schulen kennenlernt, das Werk vieler
Generationen sind, das in allen Ländern der Erde in begeistertem Streben
und mit großer Mühe geschaffen worden ist. All dies wird als euer Erbe
in eure Hände gelegt, damit ihr es empfanget, ehret, weiterbildet und
treulich euren Kindern einst übermittelt. So sind wir Sterbliche in dem
unsterblich, was wir an bleibenden Werken gemeinsam schaffen.
Pawel Florenski ( 1882 - 1937 )
In „Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit”
„Das Wahre, das Gute und das Schöne” -
diese metaphysische Trias - sind nicht drei verschiedene Prinzipien,
sondern eines. Es ist ein und dasselbe geistige Leben, jedoch von
verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet.
Das geistige Leben, das von dem Ich
ausgeht und im Ich seinen Mittelpunkt hat, ist die Wahrheit.
Als unmittelbare Wirkung eines anderen
wahrgenommen, ist es das Gute.
Von einem dritten gegenständlich
angeschaut, als nach außen strahlend, ist es das Schöne.
In „Homo faber”
Folglich wird die Anwesenheit des Menschen
an dem Vorhandensein von Werkzeugen abgelesen, und der Mensch selber
wird an der Fähigkeit erkannt, sich Werkzeuge zu verfertigen.
Entfaltet sich die Vernunft nach außen als eine in ihrem Wachsen
unbestimmte und immer komplexer werdende Gesamtheit von Werkzeugen, dann
ist sie von innen her betrachtet die Gesamtheit der Entwürfe dieser
Werkzeuge, Schemata und Bilder, welche dabei den Trieb zur
Exteriorisierung, zur Verkörperung, zur Materialisierung in sich tragen.
Die Werkzeuge sind nichts anderes als materialisierte Termini, weshalb
zwischen den Gesetzen des Denkens und den technischen Errungenschaften
eine konstante Parallelität festzustellen ist.
In „Organprojektion”
Und es gibt keinen Grund anzunehmen, daß diese Art Werkzeugbau durch
irgend etwas eingeschränkt und nicht auf unbestimmte Zeit fortgesetzt
werden sollte.
Infolge der Willkür beim Anschluß oder Nichtanschluß dieser oder jener
Werkzeuge an den Körper, infolge ihrer größeren Unverbundenheit
untereinander, als das bei den Körperorganen der Fall ist, weisen die
Werkzeuge vielleicht eine geringere Koordinierung untereinander auf und
damit eine größere Ausgeprägtheit hinsichtlich ihrer
verschiedenenartigen Aufgaben.
In uns und im Leben allgemein entdecken wir eine noch nicht
verwirklichte Technik; in der Technik noch nicht erforschte Seiten des
Lebens.
In „Die Magie des Wortes”
Der Sinn eines Wortes wird durch das Semem
des Wortes bestimmt ...
Jede Schicht des Semems ist als Ablagerung
eines geistigen Prozesses auf dem Wort anzusehen, als eine Verdichtung
des Geistes, ... der sich also im Prozeß der Semembildung in sich selbst
sammelt.
... es liegt wie tot, solange das Wort nicht gebraucht wird, doch wenn
es in den Strom der lebendigen Rede gerät, erwacht das Semem zu neuem
Leben und füllt sich mit innerer Kraft und Bedeutung.
... wirkt das Wort mit verstärkter Macht auf das seelische Leben, zuerst
dessen, der dieses Wort ausspricht und dann ... auf das Objekt, an das
das ausgesprochene Wort gerichtet ist.
In „Bilanz”
Die Voraussetzung unserer Tätigkeit ...
ist die Wirklichkeit.
Wenn die Wirklichkeit der Welt nicht mehr empfunden wird, dann zerfällt
auch die Einheit des universalen Bewußtseins und folglich die Einheit
der sich ihrer selbst bewußt werdenden Persönlichkeit.
Die nach uns kommen, werden ... ihr schicksalhaftes „nicht nötig”
sprechen, und das gesamte komplizierte System der entseelten
Zivilisation wird zusammenbrechen, wie seinerzeit das vielstöckige
Gebäude der Astrologie zusammenbrach, wie die Scholastik zusammenbrach
und wie die großen Imperien zusammenbrachen und zusammenbrechen, weil
sie nicht mehr nötig sind.
So verläßt der Hausherr sein verfallenes Haus, dessen Instandsetzung
alle seine Einkünfte verschlingt und den Bewohnern zwar viele, aber nur
ungemütliche und so gut wie unbewohnbare Räume bietet. ... Die
Zivilisation der Neuzeit ist ein solches Haus, das alle seine Kräfte
verzehrt und den Menschen in seinen Dienst zwingt statt ihm das Leben zu
erleichtern. ... So beschließt er am Ende, seine Sachen zu packen und
auszuziehen, um weniger glanzvoll, aber dafür entsprechend den
wirklichen Bedürfnissen seiner Familie zu leben.
Der Hauptstrom des Lebens wird an all dem, was eben noch als geheiligter
Schatz der Zivilisation galt, vorbeifließen.
Bertolt Brecht ( 1898 - 1956 )
In „An die Nachgeborenen”
Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut, in der wir untergegangen
sind
Gedenkt, wenn ihr von unseren Schwächen
sprecht,
auch der finsteren Zeit, der ihr entronnen
seid.
Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die
Länder wechselnd,
durch die Kriege der Klassen,
verzweifelt, wenn da nur Unrecht war und
keine Empörung.
Dabei wissen wir doch: Auch der Haß gegen
die Niedrigkeit verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht macht die
Stimme heiser.
Ach, wir , die wir den Boden bereiten
wollten für Freundlichkeit,
konnten selber nicht freundlich sein.
Ihr aber, wenn es soweit sein wird, daß
der Mensch dem Menschen ein Helfer ist,
gedenkt unsrer mit Nachsicht.
In „Leben des Galilei"“
Disput zwischen gläubiger Unwissenheit und
aufklärerischem Wissensdrang:
Der kleine Mönch:
... kann ich nun meine Eltern vor mir
sehen ... Es geht ihnen nicht gut, aber selbst in ihrem Unglück liegt
eine gewisse Ordnung verborgen. ... Sie schöpfen ihre Kraft, ihre Körbe
schweißtriefend den steinigen Pfad hinaufzuschleppen, Kinder zu gebären,
ja, zu essen aus dem Gefühl der Stetigkeit und Notwendigkeit, das der
Anblick des Bodens, der jedes Jahr von neuem grünenden Bäume, der
kleinen Kirche und das Anhören der sonntäglichen Bibeltexte ihnen
verleihen können. Es ist ihnen versichert worden, daß das Auge der
Gottheit auf ihnen liegt, forschend, ja beinahe angstvoll; daß das ganze
Welttheater um sie aufgebaut ist, damit sie, die Agierenden, in ihren
großen und kleinen Rollen sich bewähren können.
Was würden meine Leute sagen, wenn sie von
mir erführen, daß sie sich auf einem kleinen Steinklumpen befinden, der
sich unaufhörlich drehend im leeren Raum um ein anderes Gestirn bewegt,
einer unter sehr vielen, ein ziemlich unbedeutender! Wozu ist jetzt noch
solche Geduld, solches Einverständnis in ihr Elend nötig und gut? Wozu
ist die Heilige Schrift noch gut, die alles erklärt und als notwendig
begründet hat, den Schweiß, die Geduld, den Hunger, die Unterwerfung,
und die jetzt voll von Irrtümern befunden wird? ... Nein, ich sehe ihre
Blicke scheu werden, ich sehe sie die Löffel auf die Herdplatte senken,
ich sehe, wie sie sich verraten und betrogen fühlen. Es liegt also kein
Auge auf uns, sagen sie. Wir müssen nach uns selber sehen, ungelehrt,
alt und verbraucht, wie wir sind? ...
Galilei:
... Warum ist denn nichts da? Warum ist
die Ordnung in diesem Lande nur die Ordnung einer leeren Lade und die
Notwendigkeit nur die, sich zu Tode zu arbeiten? Zwischen strotzenden
Weinbergen, am Rande der Weizenfelder? Ihre Campagnabauern bezahlen die
Kriege, die der Stellvertreter des milden Jesus in Spanien und
Deutschland führt. Warum stellt er die Erde in den Mittelpunkt des
Universums? Damit der Stuhl Petri im Mittelpunkt der Erde stehen kann!
Um das letztere handelt es sich. Sie haben recht, es handelt sich nicht
um die Planeten, sondern um die Campagnabauern. ... Wären Ihre Leute
wohlhabend und glücklich, könnten sie die Tugenden der Wohlhabenheit und
des Glücks entwickeln. Jetzt stammen diese Tugenden Erschöpfter von
erschöpften Äckern, und ich lehne sie ab. Herr, meine neuen Wasserpumpen
können da mehr Wunder tun als ihre lächerliche übermenschliche
Plackerei. - "Seid fruchtbar und mehret euch", denn die Äcker sind
unfruchtbar, und die Kriege dezimieren euch. Soll ich Ihre Leute
anlügen? ...
Es setzt sich nur soviel Wahrheit durch,
als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der
Vernünftigen sein. ...
... Nur belehrt von der Wirklichkeit,
können wir die Wirklichkeit ändern.
Karl Popper ( 1902 bis 1994 )
In „Erkenntnistheorie und Frieden“
Wenn die Blumen kommen, so erwarten sie
... Frühlingswetter. Sie haben die Hypothese, die Theorie eingebaut, daß
es wärmer wird. Oft genug ist die Theorie falsch und die Blüten
erfrieren. In diesem Sinne gibt es unendlich viel angeborenes Wissen in
Pflanzen und Tieren. Ein Kind erwartet nach seiner Geburt, gehegt und
gestillt zu werden; und kurz nachher erwartet es, angelächelt zu werden.
Es erwartet diese Dinge nicht nur, es braucht sie. Angeborene
Bedürfnisse sind angeborene Theorien.
Alle Organismen sind dauernd höchst aktiv.
Sie erforschen aktiv ihre Umwelt, sie suchen nach besseren
Lebensbedingungen, nach einer besseren Welt. Und sie selbst verbessern
aktiv ihre Lebensbedingungen.
Das Leben verbessert die Umwelt für das
Leben. Es hat das seit Millionen Jahren getan und wir sind die
glücklichen Erben.
Sowohl das angeborene Wissen der Tiere und
Menschen wie auch das durch aktives Lernen erworbene Wissen besteht aus
Erwartungen. Unerfüllte Erwartungen werden als Schwierigkeiten, als
Probleme erlebt, die zu Versuchen führen, also wieder zum aktiven Lernen
- zum Forschen.
In „Die evolutionäre Erkenntnistheorie“
Wir lernen nur durch Versuch und Irrtum.
Unsere Versuche sind aber immer unsere Hypothesen. Sie stammen von uns,
nicht von der Außenwelt. Von der Außenwelt lernen wir nur, daß gewisse
unserer Versuche Irrtümer sind.
Heinrich Böll ( 1917 bis 1985 )
Wir kommen weit her und müssen noch weit
gehen.
Hab keine Angst, alle sind bei Dir : Deine
Mutter, Dein Vater und alle, die vor ihnen waren.
Jürgen Habermas ( 1929 bis )
In „Klarstellungen: Wissenschaft und Lebenspraxis“
Ich will den Sinn für die
Isolierbarkeit von Wahrheitsfragen, ... lebendig erhalten in einer
Situation, die objektiv dazu zwingt, daß man Wahrheitsfragen nicht
vermischt mit Gerechtigkeits- und Geschmacksfragen.
Ich eigne mir andere Theorien an; warum
nicht - man soll andere bei ihren Stärken nehmen und dann sehen, wie man
damit weiter umgehen kann. Eines soll das andere stützen, denn
theoretische Wahrheiten gibt es tatsächlich nur noch in der Form von
Plausibilitäten. Ich habe ... den emphatischen philosophischen
Wahrheitsanspruch verabschiedet.
Am empirischen Material muß sich zeigen
lassen, daß man Vernunft in die Wissenschaft bringen kann.
Ken Wilber ( 1947 bis )
In „The Eye of Spirit“ (Deutsch unter „Das
Wahre, Schöne, Gute“)
Nur in einem menschlichen Körper kann Erkenntnis erlangt werden. Dies
ist weder Göttern noch Tieren noch Dämonen noch Engeln möglich ...Und
dieser menschliche Körper ist unter anderem ein Ergebnis der Evolution.
Weil der Geist in diese und als diese Welt involviert ist, evolviert er
mit dem und als Geist bis zu dem Punkt, an dem der Geist überbewußt sein
eigenes ursprüngliches Antlitz erkennt.
In einer vereinfachten Form gelangt man zu dieser Erkenntnis wie folgt:
Ich bin mir meines Körpers bewußt, und
deshalb kann ich nicht bloß mein Körper sein.
Ich bin mir meines Geistes bewußt, und
deshalb kann ich nicht bloß mein Geist sein.
Ich bin mir meines Ich bewußt, und
deshalb bin ich nicht bloß dieses Ich.
Irgendwie scheine ich Zeuge meines
Körpers, meines Geistes, meines Ich zu sein.
Ich kann meine Gedanken sehen, also bin
ich nicht diese Gedanken.
Ich bin mir meiner Körperempfindungen
bewußt, also bin ich nicht diese Empfindungen.
Ich bin mir meiner Gefühle bewußt, also
bin ich nicht nur diese Gefühle.
Irgendwie bin ich Zeuge von alldem!
Dieses schlichte Zeugen-Gewahrsein ist den Traditionen zufolge der
Geist selbst. ...
Dinge, die man sieht, kommen und gehen,
sind erfreulich oder betrüblich, angenehm oder schmerzhaft, aber der
Seher ist nichts von alledem, und er kommt und geht nicht. Der Zeuge
wankt nicht, schwankt nicht, tritt nicht in diesen Strom der Zeit ein.
Der Zeuge ist kein Objekt, kein Ding, das man sehen kann, sondern der
allgegenwärtige Seher aller Dinge, das Ich des Geistes ...
Anblicke ziehen in der Natur vorbei,
Gedanken ziehen im Geist vorbei, Gefühle ziehen im Körper vorbei, und
ich bin nichts davon. Ich bin kein Objekt. Ich bin der reine Zeuge aller
dieser Objekte. Ich bin Bewußtsein als solches.
Und wenn sich die Vergangenheit
wirklich ereignete, dann ereignete sie sich eben jetzt. Wenn sich die
Zukunft wirklich ereignet, dann wird sie sich eben jetzt ereignen. Es
gibt nur das „eben jetzt“, es gibt nur diese allgegenwärtige Gegenwart:
Die ist alles, was ich je unmittelbar erkennen kann. Deswegen ist die
zeitlose Gegenwart nicht schwierig zu erreichen, sondern unmöglich zu
vermeiden ...
Und in welcher Form du auch immer wiederauferstehst, du wirst nicht von
der Großen Suche, sondern von deiner Großen Pflicht gedrängt
auferstehen, von deinem grenzenlosen Dharma, der Manifestation deiner
eigenen höchsten Potentiale, und die Welt wird sich ändern , weil du sie
änderst.
Redewendung im Deutschen
"Das zeigt, wess Geistes Kind du bist."
Meine Schlußbemerkung
"Das Wahre" ist eine geistige Dimension
(neben den beiden anderen "Das Gute" und "Das Schöne") der
Erkenntnisgewinnung in der Geschichte der Menschheitsentwicklung.
Die verschiedenen Religionen sind dafür
eine Ausdrucksform. Weil sie ihre Gläubigen jeweils auf sehr bestimmte
Aussagen zum Wesen Gottes festlegen, trennen die Religionen die Menschen
und verursachen Abgrenzung. Gläubige können nicht anders, sie müssen
ihren Glauben für den allein wahren halten. Ein Dialog zwischen den
Kulturen hat darum nur eine Chance, wenn das Wesen Gottes außerhalb
diese Dialoges bleibt.
Dann ist ein wirklicher positiver Dialog
möglich, in den dann auch gern die vielen in humanistischer,
aufklärerischer, atheistischer Tradition Denkenden eintreten. Die
Humanisten/Atheisten halten dafür, daß die individuelle Psyche (die Seele) nur in
einem lebendigen Körper existieren kann, das vorgefundene kulturelle
Erbe aufnimmt, sich durch Tätigsein
vervollkommnet und die Erkenntnis der Menschheit dadurch ein klein wenig
weiterbringt. Darin stimmen sie mit vielen Geistesgrößen aus mehreren
Jahrtausenden überein (wie die aufgeführten Quellen zeigen).
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